Bund, Land und Kreis gegen die Gemeinden
Der ewig gleiche Evergreen. Während die Finanzen des Kreises Stormarn trotz großer gesellschaftlicher Krisen, wie Kriege, Inflation und rückläufiger Wirtschaftsdaten aktuell noch sehr gut dastehen, hat auch im letzten Jahr die Verschuldung von Gemeinden und Kommunen des Kreises weiter zu genommen.
Kreisumlage zugunsten der Gemeinden senken – Natürlich nicht
Während der Landrat Henning Görtz sich selbst auf die Schultern klopfend, davon spricht, dass der Kreis Stormarn deshalb der einzig schuldenfreie Kreis Schleswig-Holsteins sei, weil „ wir Wert darauf gelegt (haben), nur das Geld auszugeben, das wir auch haben.“ (HA, 30.08.24 online)
Diese Aussage ist aus zweierlei Gründen ein Euphemismus. Erstens, der Kreis gibt nicht das Geld aus, welches er hat. Im Gegenteil. Man sollte meinen, dass die finanziellen Mittel des Kreises dazu da seien, seinen Beschäftigten, seinen Kommunen und letztlich seinen Bürgern zugute zu kommen. Die Ausgaben des Kreises im Haushaltsplan für 2023 übersteigen zwar die Einnahmen, können aber dank liquider Mittel von knapp 94 Mio. Euro locker ausgeglichen werden. Das gilt auch für die Folgejahre. Und, so die Planung, sollen im Jahre 2026 die Einnahmen die Ausgaben im siebenstelligen Bereich schon wieder übersteigen.
Zweitens, das Geld, von dem der Landrat spricht, ist letztlich das Geld der Kommunen. So schreibt das Hamburger Abendblatt (HA): „Ein wesentlicher Faktor hinter der guten Haushaltslage sei die hohe Finanzkraft der Kommunen im Kreis, die bei den Gewerbesteuereinnahmen sehr gut dastünden.“ Dies muß auch Görtz zugestehen. „Die Lage zwischen den Großstädten Hamburg und Lübeck sei nach wie vor gefragt, so Görtz. Die Städte und Gemeinden tragen über die Kreisumlage einen großen Teil zu den Einnahmen des Kreises bei.“ (HA, 30.08.24 online) Noch zu den Haushaltsberatungen 2023 hat DIE LINKE, neben einer beschlossenen rückwirkenden Senkung des Hebesatzes für die Kreisumlage von 1,5% für das Jahr 2022, eine moderate Senkung von 1% für 2023 gefordert. Das lehnten die anderen Parteien natürlich ab. Neben den Gemeinden Bargteheide und Glinde, die ihre Unzufriedenheit mit der Entscheidung des Kreises zum Ausdruck brachten, äußerte sich auch die nicht gerade arme Gemeinde Großhansdorf zurecht, dass die Risiken und Auswirkungen von Pandemie, Ukrainekrieg, und Energie- und Baukosten die Kommunen ungleich stärker treffen als den Kreis. Aber auch ein Jahr später tat sich zur Entlastung der Kommunen bei der Kreisumlage nichts. Die Fraktion aus FW/LINKE enthielt sich auch deshalb beim Haushalt 2024.
Finanzieller Zustand der Gemeinden
Bis Ende des Jahres 2023 haben die Kommunen „Verbindlichkeiten in einer Gesamthöhe von rund 161 Millionen Euro angehäuft. Damit sind die Schulden der Kommunen gegenüber dem Vorjahr um rund sechs Millionen gewachsen. (Übrigens die von DIE LINKE für 2023 geforderte Kreisumlagensenkung von 1% hätte ca. 4,1 Mio. Entlastung für die Kommunen gebracht.). Kitakosten, Unterbringung von Flüchtlingen, Bau von Schulen und Feuerwachen haben die Ausgaben der Kommunen über die Maßen erhöht, wie auch Landrat Görtz zugeben muß. Seine Behauptung allerdings, die Städte und Gemeinden durch eine konsequente Kreisumlagensenkung in „den vergangenen Jahren“ entlastet zu haben, stimmt zumindest für 2023 und 2024 nicht. In diesen letzten beiden Jahren gab es keine Kreisumlagensenkung.
Aber zurück zu den Gemeinden. So werden vom Abendblatt Trittau als die Gemeinde mit „der höchsten Neuverschuldung“ und Reinbek als die Stadt mit „den meisten Verbindlichkeiten“ genannt. Im Stormarner Ranking bei der Neuverschuldung folgen Delingsdorf und Tangstedt. Bei den Gemeinden mit den meisten Verbindlichkeiten folgen nach Reinbek die Gemeinde Barsbüttel und auf Platz drei Oststeinbek. (vgl. HA; 30.08.24 online) Ohne jetzt weiter ins Detail zu gehen, gibt es auf der anderen Seite durchaus auch Kommunen, denen es finanziell gut geht. Besonders hebt das Abendblatt hierbei die Stadt Bargteheide hervor. Seit 17 Jahren schuldenfrei, „Landesweit einzigartig“. „Insgesamt“, so das Abendblatt, „ sind 21 Gemeinden und damit etwas mehr als ein Drittel der Orte in Stormarn ohne Schulden.“
Und auch für den Kreis erwartet der Landrat Schuldenfreiheit für das laufende und das kommende Jahr. Ein eventuelles Minus kann „dank Rücklagen“ ausgeglichen werden.
Ausgleichsfunktion und Sozialfond
Also, ein Kreis – unterschiedliche finanzielle Situationen in den Gemeinden. Bei einer möglichen Kreisumlagensenkung führt dies in der Regel dazu, dass eine reiche Gemeinde bei gleichen Prozentsatz Absenkung, wesentlich mehr finanzielle Entlastung in Euro bekommt, als eine ärmere Gemeinde. Nun, in so einem Fall sieht die Kreissatzung des Landes Schleswig-Holsteins u.a. auch die Möglichkeit vor, finanzielle Mittel auch nach Bedürftigkeit der Kommunen zu verteilen. Die sogenannte Ausgleichsfunktion. Dies, und die Einrichtung eines Sozialfonds, welcher z.B. für bedürftige, einkommensschwache Familien und soziale Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden könnte, würde es dem Kreis erleichtern, gestaltende und konstruktive Politik für seine Bürger zu machen. Die LINKE setzt sich von Beginn ihrer Teilnahme an dem Kreistag, für diese Maßnahmen ein, trifft aber immer wieder auf den Unwillen der Mehrheitsparteien.
Die Ohnmacht der Gemeinden
Aber nicht nur der Kreis steht bei der Ausstattung der Finanzen der Gemeinden auf der Bremse. Dass im Zweifel Gewerbe- und Grundstückssteuer nicht ausreichen werden, um die Aufgaben die diesen zufallen zu finanzieren, hat der Gesetzgeber auch gesehen. Deshalb wird in §106 Absatz 5 des GG den Kommunen auch ein Anteil an der Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuer versprochen. Die Gestaltung des Finanzausgleichs liegt allerdings in den Händen von Bund und Ländern. Die Kommunen bleiben hier Bittsteller. Nach den massiven Kürzungen von Einkommens- und Körperschaftssteuern in den letzten zwei Jahrzehnten ist bei den Kommunen wahrscheinlich deshalb am wenigsten angekommen. Auch die immer wieder aufgelegten Konjunkturpakete und andre Sonderprogramme haben oft kein Geld in die Kassen der Kommunen gespült, sondern zusätzlich abgefordert, da bei den einzelnen Vorhaben und Projekten meist eine finanzielle Beteiligung der Gemeinden vorgesehen war.
Umbau der Finanzhaushalte zugunsten der Kommunen
Oftmals liegt eine hohe Verschuldung und Haushaltsnotlage nicht an der Selbstverwaltung, sondern liegt an der strukturellen Unterfinanzierung durch Bund und Land. Auch die geographische Lage einer Kommune trägt nicht selten zu guter oder schlechter Finanzlage bei. Kommunen in finanziell nicht guter Situation dürfen deshalb nicht gezwungen werden Sozialkürzungen und Leistungsabbau vornehmen zu müssen. Dies verschärft nicht selten die wirtschaftliche Situation. Dringend nötig wäre also eine Gemeindefinanzreform. Dazu müssen sich die Mehrheitsverhältnisse im Land massiv verändern. Es braucht eine Erbschaftssteuerreform und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer auf der einen und stärkere Beteiligung der Gemeinden an der Einkommens- und Körperschaftssteuer auf der anderen Seite. Die Spitzensteuersätze müssen rauf. Das würde auch die monetäre Kraft erhöhen, die Gewerbesteuerumlage von den Kommunen an den Bund und die Länder allmählich abzuschaffen. Bundesmittel könnten Investitionen für finanzschwache Kommunen bei geplanten Projekten sinnvoll unterstützen. Kommunen dürfen nicht von spekulierenden Banken- und Finanzanbietern abhängig werden. Deshalb sollte der kommunale Zugang zum Kreditmarkt vor allem durch Sparkassen und Genossenschaftsbanken gewährleistet werden. Die Schuldenbremse und der europäische Fiskalpakt dürfen die kommunale Finanzautonomie nicht in Frage stellen. Darüber hinaus sollte jede selbstständige Betätigung und auch die der Freiberufler wie Ärzte, Anwälte und Architekten gewerbesteuerpflichtig werden. Diese Belastung könnte dann in der Einkommenssteuer Berücksichtigung finden. Und auf kommunaler Ebene selbst sollte dem gegenseitigen Unterbietungswettbewerb durch kommunale Steuern wie Gewerbe- und Grundsteuern aktiv entgegengewirkt werden. Diese Konkurrenz findet ebenso auf der Ebene öffentlicher Subventionen für private Unternehmensinteressen statt. Um Unternehmen in ihre Gemeinde zu locken bieten diese mehr als die Nachbargemeinde. Davon abgesehen, dass sich nur finanzstarke Gemeinden an so einen Wettbewerb beteiligen können, profitieren letztlich nur die Unternehmen, während die Kommunen das nachsehen haben. Es braucht eine solidarische interkommunale übergreifende Politik Nicht in Konkurrenz gegeneinander, sondern nur im sozialen Miteinander entwickeln sich die Gemeinden und damit der Kreis insgesamt positiv für seine Einwohner.
Leider befinden sich die Parteien von CDU/CSU, SPD, GRÜNE, FDP und AFD1 mit ihrer „Kanonen statt Butter“ Politik auf genau den gegenteiligen Weg.
Quellen:
- Hamburger Abendblatt; 30.08.24 online
- Hamburger Abendblatt; 08.08.24 online
- Kommunalwahlprogramm DIE LINKE 2023
- Stormarner Tageblatt 5.11.2012 / 28.01.2019
- Die AFD ist grundsätzlich für die Anhebung des Rüstungsetats. Selbst bei dem 100 Milliardenpaket „Sondervermögen Bundeswehr“ im Zusammenhang mit dem Ukraine Russland Krieg stimmte die Hälfte der AFD Fraktion im Bundestag dafür. Sie ist grundsätzlich für eine starke Armee und nicht gegen Kriege. Nur dieser spezielle Krieg sei eben nicht im Interesse Deutschlands. ↩︎